Bauvorhaben in Gebirgsregionen stellen Planer und Architekten stets vor besondere Herausforderungen. Die Bauinfrastruktur ist meist kompliziert und Bauarbeiten müssen auf engstem Raum stattfinden. Den Marte.Marte Architekten gelang dies mit zwei Brücken, die das Vorarlberger Städtchen Dornbirn mit dem Bergdorf Ebnit verbinden.
In vierjähriger Bauzeit hat die Allreal Generalunternehmung AG im Züricher Wallisellen auf insgesamt sieben Hektar ein städtebauliches Quartier der Superlative geplant und umgesetzt. Um sämtliche Nutzungsmöglichkeiten, und damit neben Industrie, Dienstleistung und Gewerbe auch privates Wohnen, zuzulassen, musste ein durch die Gemeinde Wallisellen eigens genehmigter privater Gestaltungsplan aufgestellt werden, dem ein Richtprojekt sowie eine Sammlung baurechtlicher Vorschriften, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie ein übergeordnetes Verkehrskonzept zugrunde lagen. Angeschlossen Am Berg zu bauen heißt, bei jedem Projekt auf individuelle Schwierigkeiten zu treffen statt auf bewährte Pläne zurückgreifen zu können. Statisch und bautechnisch gesehen ist jeder Standort am Berg anders. Und dann muss sich das Bauwerk auch ästhetisch-gestalterisch in seine Umgebung einfügen, wobei die Gebirgskulisse stets Konkurrentin und Verbündete zugleich ist. All diesen Herausforderungen haben sich die Marte.Marte Architekten gestellt, als sie für die Gemeinde Ebnit zwei neue Brücken konzipierten. Das einst schwer zugängliche Bergdorf wurde von Walsern gegründet und ist erst seit den 1920er Jahren mit der nahegelegenen Stadt Dornbirn verbunden. Schroffe Bergwände und die tiefe Schlucht der Dornbirner Ache säumen die engen Kurven, die sich durch in Stein gehauene Tunnel in das Dorf hochwinden. Die Straße ist die einzige, ganzjährig befahrbare Zufahrt zum Dorf. Die wilde Schluchtenlandschaft hat ihr mit Starkregen, Felsstürzen, Schnee- und Eismassen fast hundert Jahre lang zugesetzt. Da eine Sanierung der in die Jahre gekommenen Brücken unwirtschaftlich gewesen wäre, entschloss man sich im Jahr 2004, diese Zug um Zug zu erneuern. Mit der 2005 sanierten Schanerlochbrücke und der im Jahr 2012 fertiggestellten Schaufelschluchtbrücke interpretierten Marte.Marte die historischen Bogenbrücken neu, als Skulpturen in hellem Sichtbeton.
Die Brücke als Skulptur
Gleich einer Betonskulptur führt die Schanerlockbrücke als in sich verwundenes Band über die Schlucht und folgt damit der Linie des an beiden Enden gegeneinander gekrümmten Straßenverlaufs. Auf einer Spannweite von 23,5 Metern rotiert die Bogenunterseite um rund 50 Grad. Die zweifache Krümmung verleiht der Brücke eine höhere Steifigkeit, sodass der Bogen am Scheitelpunkt auf nur 45 Zentimeter reduziert werden konnte. Während die Perspektive des Autofahrers eine einfache Bogenbrücke offenbart, ist das elegant geschwungene Band in seiner vollen Dynamik nur vom Bach aus erfahrbar. Die niedrige Brüstungshöhe trägt zu der außergewöhnlichen Erscheinung maßgeblich bei. Dank einer Ausnahmegenehmigung konnte diese mit nur 75 Zentimetern Höhe ausgeführt werden. Eine extreme Brüstungstiefe gibt dabei Sicherheit vor einem Absturz. „Nichts soll den Ausblick und die skulpturale Wirkung stören“, so Architekt Stefan Marte. Auch die Schaufelschluchtbrücke wurde auf diese Weise in die Montanumgebung eingebettet. Nur zwei Fahrminuten, dafür mehrere Naturtunnel von der Schanerlochbrücke entfernt spannt sich die Straße über eine Rechtskurve als halbe Bogenbrücke auf, die sich anschließend direkt in den nächsten Tunnel verjüngt. Trotz ihres massiven Aufbaus vermitteln die Brücken eine filigrane Leichtigkeit. Ihre Schwünge nehmen die umliegenden Züge der Gebirgslandschaft auf. Sie interpretieren diese skulptural, spannen sich wie fließende Bänder zwischen den Felsen auf und schaffen einen organischen Übergang von Natur zu Architektur.
Statische Feinarbeit
Dabei stellte der unterschiedlich tragfähige Fels die Statik vor große Herausforderungen. Um diese zu meistern standen den Architekten die M+G Ingenieure zur Seite. Vorgabe der Kommune war, möglichst wenig Felsabtrag vorzunehmen um die Festigkeit des Gesteins nicht zu gefährden. Teilweise mussten die Betonarbeiten dazu von Hand ausgeführt werden. Zudem durfte kein Bauteil länger als 12 Meter sein, da aufgrund der kurvigen Straße ein Transport zur Baustelle sonst unmöglich gewesen wäre. Aufgrund fehlender Lagerflächen konnten stets nur kleine Chargen geliefert werden. Ein aufwändiges Unterfangen, denn allein die Schanerlochbrücke besteht aus 25 Tonnen Stahl sowie 180 Kubikmetern frostbeständigem C25-Qualitätsbeton. Beide Brücken wurden mit Hilfe eines Lehrgerüstes auf die selbe Weise eingeschalt. Mit Schalbrettern und aufgedoppelten Betonplatten erhielten sie ihre jeweilige Form. Dabei mussten sowohl Zementschlieren vermieden, als auch auf eine spiegelglatte Sichtbetonoberfläche ohne Nester und Roststellen geachtet werden. Dazu wurde gleich in voller Höhe aufgeschalt, der Beton zügig verdichtet um einen niedrigen Luftporenanteil zu erhalten, sowie auf eine ausreichende Betonüberdeckung geachtet. Zudem wurde die Schalung vor dem Betonieren ausgewaschen, um keine Einschlüsse zu riskieren. Die Architekten wollten sowohl messerscharfe Kanten als auch einen optisch einwandfreien Sichtbeton erzielen. Dazu wurden die Schalungen dauerelastisch verfugt, für die Arbeitsfugen schmale Vierkantleisten gegen die Innenseite der Schalung genagelt und die Mauerwerkskrone händisch nachgeglättet. Der logistische sowie handwerkliche Aufwand dürften sich gelohnt haben. Nicht nur fügen sich die beiden skulpturalen Betonbänder nahtlose und authentisch in die umliegende Berglandschaft ein. Das Tiefbauamt der Stadt Dornbirn prognostizierte für beide Brücken auch eine stattliche Lebensdauer von rund einhundert Jahren.