Warum ein Haus mit Fenstern bauen, wenn das ganze Haus ein Fenster sein kann? Das mögen sich die Baumschlager Eberle Architekten gedacht haben, als sie für die Hafen Rohner GmbH ein Bootshaus mit integriertem Clubhaus konzipierten und realisierten.
Im österreichischen Fußach, direkt im Landschafts- und Naturschutzgebiet Rheindelta gelegen bietet der Hafen Rohner natur- und segelbegeisterten Besuchern ein idyllisches Freizeitareal am Südostufer des Bodensees. Anfang der 2000er Jahre hatte man die ehemals hier befindliche Kiesgrube in einen Segelhafen verwandelt und mit einer sanften Neuplanung dem gesamten Gelände eine neue Struktur gegeben. In diesem Zuge entstand 2008 auch das Nordwesthaus. Unweit der Rheinmündung, an der Kante von Anlegestellen und Liegeplätzen, positionierten die Baumschlager Eberle Architekten den biomorphen Monolith aus frei geformtem Ortbeton mit einem transluzenten Überzug aus kristallenem Eisblumenglas. Der geradezu überirdisch anmutende Kubus wächst in strenger Geometrie direkt aus dem Wasser heraus und steht in starkem Kontrast zur umliegenden Natur der Hafenumgebung.
Geschöpf aus Beton und Glas
Gleich dem Inneren eines Zellverbundes strebt die biomorphe Betonstruktur dem Himmel entgegen, ähnlich einer Kolonie von Kelppflanzen, die sich im Rhythmus des Wassers wiegen. Der sieben Meter breite und 14 Meter hohe Kubus nimmt die umliegende Kulisse aus Schilfpflanzen und Bäumen auf und interpretiert diese zu einer neuen Lebensform. Das Skelett der Gebäudestruktur bildet eine offene Skulptur, die aus Ortbeton frei geformt wurde. Eine transluzente Hülle aus Glastafeln ummantelt gleich einer Zellmembran die Tragkonstruktion. Lediglich eine in der Höhe überdimensionierte Eingangstüre, deren Form auf die Gesamtproportionen des Kubus Bezug nimmt, unterbricht die Außenhaut. Für die Glaselemente wurde eine alte Verfahrenstechnik herangezogen, bei der die Scheiben aus Floatglas zunächst sandgestrahlt und dann mit Knochenleim behandelt werden, der beim Trocknen unregelmäßige Stückchen aus der Glasoberfläche reißt und dadurch unregelmäßige Ausmuschelungen erzeugt. So ließ sich die Durchsicht ohne Verwendung von Farben oder Fremdprodukten einschränken und damit die Kontrastierung zwischen Hülle und Kern minimieren. Durch die lebendige Oberfläche entsteht zudem eine Lichtstreuung, die je nach Tageszeit und Beleuchtungssituation innen wie außen ein facettenreiches Spiel aus Licht und Reflexionen erzeugt und dem statischen Monolith Bewegung und Leben einhaucht. Nachts erstrahlt der Kubus dann in verschiedenfarbigen Lichtmustern, die sich auf der meist spiegelglatten Wasseroberfläche des Anlegeplatzes fortsetzen.
Neuer Treffpunkt am Hafen
Das Nordwesthaus wurde als Einheit aus Clubraum und Bootshaus konzipiert. Direkt auf Wasserniveau befindet sich die Bootbox für die Segelboote. Über ein Verbindungsgeschoss mit Stiege gelangen Besucher in den Clubraum, der mit 8,80 Metern Höhe eine geradezu monumentale Wirkung entfaltet. Er ist das Herzstück des Veranstaltungsgebäudes und bietet mit 80 Quadratmetern Fläche Platz für rund 100 Personen. Workshops, Seminare, Vorträge, Lesungen, Verköstigungen aber auch Fotoshootings und Parties: Firmen- wie Privatkunden können diese außergewöhnliche Kulisse für ihre Veranstaltungen buchen. Komplettiert wird der Bau durch einen Eingangsbereich, WC’s, sowie einen Abstell- und Cateringbereich. Innen wie außen nahmen die Architekten gekonnt sämtliche Umgebungsstrukturen auf und abstrahierten sie als menschgemachtes Naturgebilde in Form einer organisch manifestierten skuplturalen Architektur. Dabei sollte die Natur dem Werk des Menschen keinesfalls untergeordnet werden. „Erst wenn die Natur die Hauptrolle spielt und Gebäude und Anlagen eine Nebenrolle, dann ist eine gelungene, respektvolle Begegnung zwischen von Menschen gebauten Gebäuden mit der Natur hergestellt“, fasst die Rohner GmbH die Gesichtspunkte zusammen, unter denen das ambitionierte Projekt „Nordwesthaus“ entstand.