Bildungseinrichtungen stellen Planer und Architekten meist vor besondere Herausforderungen. Denn neben Funktionalität und Wirtschaftlichkeit stehen Repräsentativität und architektonische Qualität an erster Stelle. Beim Neubau des Zentrums für Naturwissenschaftliche Grundlagen in Freising gelang es, all diese Kriterien miteinander zu vereinbaren.
Vom Kloster zum Musterlandwirtschaftsbetrieb, über eine Baumschule bis hin zur heutigen Hochschule Weihenstephan-Triesdorf – der Hochschulcampus Freising-Weihenstephan hat eine bewegte Geschichte hinter sich und ist seinen Ursprüngen doch stets treu geblieben. Seit Jahrzehnten zum „Grünen Zentrum Bayerns“ weiterentwickelt beherbergt er heute neben Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen sowie dem „Center of Life Sciences“ auch den wichtigsten Teil der Hochschuleinrichtungen sowie weitere Institute, Landesanstalten und Organisationen, die den Standort strategisch nutzen können.
Um den wachsenden Studentenzahlen und damit auch Angestellten sowie den hierfür notwendigen Flächen gerecht zu werden, hatte sich die Hochschule bereits im Mai 2007 für die Schaffung von 533 neuen Studienplätzen verpflichtet. Im Juni 2008 wurde der Bauantrag beim Bayerischen Wissenschaftsministerium gestellt, im Dezember 2010 erfolgte die Zustimmung. Schließlich entstand von April 2013 bis September 2016 auf einer Hauptnutzfläche von insgesamt 4.874 Quadratmetern das ‚Zentrum für Naturwissenschaftliche Grundlagen Freising‘. Mit rund 30 Millionen Euro hat sich der Freistaat Bayern an der Gesamtfinanzierung beteiligt um das Spitzenniveau der bayerischen Hochschulbildung zu sichern. Die Einrichtung gilt als Kompetenzzentrum, in dem ökologische und ökonomische Belange miteinander verbunden werden und bietet Platz für zusätzliche Hörsäle, Seminar- und Laborräume.
Multifunktionstalent hinter Glas
Mit dem aus zwei Baukörpern bestehenden Gebäudekomplex sollte ein gestalterischer Akzent auf dem Campusgelände gesetzt werden. Der Hörsaalkubus mit seiner hinterlüfteten Fassade aus transluzentem Glas stellt den Anker für den angeschlossenen Langbau dar und markiert gleichzeitig den Eingangsbereich des Campus. Auf einer Achse mit dem Praktika- und Hörsaalgebäudes der Technischen Universität München gelegen beherbergt der Langbau insgesamt 1.150 Quadratmeter Laborfläche, drei EDV-Räume, sowie etwa 1.000 Quadratmeter Bürofläche. Im Kubus hingegen finden sich auf 2.000 Quadratmetern vier Hörsäle für insgesamt 500 Personen, drei Seminarräume und die Räume der Agrarsystemtechnik. Auch das Foyer, eine Cafébar, Versammlungs- und Aufenthaltsstätten sowie ein Werkstattbereich sind hier untergebracht. In den Fluren dienen mit Sitzgelegenheiten versehene Nischen als Verweilräume für die Studenten.
Aufgrund des Höhengefälles stellt sich der Komplex nordseitig als viergeschossiges Gebäude, südseitig als dreigeschossiges Gebäude dar. Beide Baukörper wurden in Stahlbetongeschossbauweise ausgeführt. Während der Langbau durch die geradlinig gesetzten Fenster der vielen Büros gegliedert wird, setzt sich der Kubus durch seine transluzente Glasfassade selbstbewusst ab. Da die Unterkonstruktion aus Beton leicht sichtbar bleibt erhält die Fassade Tiefe und Struktur. Das über alle Ebenen nach Osten und Westen verglaste Foyer vermittelt dem Besucher eine räumliche Leichtigkeit und gibt den Blick auf die streng gestaltete Gartenanlage sowie die Außenanlagen mit Campusplatz und Parkplätzen frei. Zur Gewährleistung der Barrierefreiheit verfügt der Neubau über entsprechende Aufzüge und Toiletten, die Hörsäle wurden eigens mit induktions-basierenden Audiosystemen für Hörbeeinträchtigte ausgestattet.
Um dem wissenschaftlichen Anspruch auch in gebäudetechnischer Hinsicht gerecht zu werden, wurden hohe Vorgaben an die energetische Bewirtschaftung des Neubaukomplexes gestellt. Zugrunde lagen die Vorgaben der Energieeinsparverordnung 2013. Hochgedämmte Fassaden sowie eine Dreifachverglasung sorgen für eine effiziente Außenhülle. Wärme bezieht die Hochschule in Form von Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung auf regenerativer Hackschnitzel-Basis. Intelligente Gebäudetechnik wie eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine hauseigene, 180 Quadratmeter große Photovoltaikanlage sorgen für weitere Energieeinsparung. Jährlich kann so die Emission von Kohlenstoffdioxid um 2,6 Tonnen reduziert werden. Die maschinelle Kühlung des Serverraums führt hierbei gewonnene Abwärme wieder dem Heizungssystem zu, sodass kaum Energie verloren geht. Dank der sorgfältigen Planung konnten die Anforderungen der EnEv letztlich sogar um 30 Prozent unterschritten werden. Mit dem Neubau des Zentrums für Naturwissenschaftliche Grundlagen Freising befindet sich die Hochschule somit nicht nur hinsichtlich der wachsenden Studentenzahlen auf der Höhe der Zeit, sondern auch im Hinblick auf Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit. Seit Oktober 2016 steht der Neubau Studenten aus aller Welt offen und leistet damit einen aktiven Beitrag zur Bildungs- und Forschungslandschaft in Bayern.