Auf einem ehemals unbebauten Parkplatzgelände im Zentrum von Augsburg befindet sich die neue Stadtbücherei. Von außen betrachtet ist sie hinsichtlich Farbgestaltung und Fassadengliederung ein unübersehbarer Blickfang. Das leicht und transparent anmutende Bauwerk wurde in Form eines aufgeschlagenen Buches konzipiert und realisiert. Die Fassade ist wie durch farbige Buchseiten gegliedert, die auf den Inhalt neugierig machen soll. Funktional und ästhetisch hebt sich die neue Stadtbücherei klar von den umgebenden Zweckbauten ab.
Augsburg, eine der ältesten Städte Deutschlands, war immer schon ein Ort der Kunst, Kultur und Literatur. Neben der wissenschaftlichen Staats- und Stadtbibliothek beherbergt die örtliche Stadtbücherei alles, was wissensdurstige Bücherwürmer begehren. Da das Bestandsgebäude den Anforderungen an eine moderne öffentliche Einrichtung irgendwann nicht mehr genügte, wurden bereits in den 1980er Jahren Rufe nach einer Modernisierung laut. Doch erst im Jahr 2005 konnte ein Augsburger Buchhändler dank eines Bürgerbegehrens den lang ersehnten Neubau durchsetzen. Als Bauherrin fungierte die Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienverwaltung in Vertretung der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Augsburg. Verantwortliche Planer waren die Schrammel Architekten aus Augsburg sowie das Münchner Ingenieurbüro Hausladen. In den Jahren 2007 bis 2009 entstand schließlich ein hochmodernes Bibliotheksgebäude, das die Herzen von Bücherfreunden höher schlagen lässt.
Winkel und Prismen
Zwei Baukörper, ein langgezogener Schenkel und das Viertel eines Rondells, ergänzen sich zu einem eigenwilligen Grundriss. Während der Rundkörper dreigeschoßig ausgeführt wurde, befinden sich im anschließenden Quader vier Geschosse. Durch die beiden Baukörper, ein angrenzendes Parkhauses sowie die rückwärtige Gebäudereihe der Fußgängerzone, entsteht eine intime Platzsituation, die im Trubel der Innenstadt eine gebührende Ruheinsel darstellt.
Fassaden aus transparentem sowie milchig getöntem Glas und bunte Fensterlaibungen begrüßen freundlich die Bibliotheksbesucher. Im Gebäude selbst lösen sich die klaren Linien der Außenhülle alsbald auf. Wer das Treppenhaus betrachtet, wird womöglich an den niederländischer Künstler und Grafiker M. C. Escher erinnert. In unterschiedlichen Winkeln münden die breiten Treppen in die jeweiligen Stockwerke, treffen Wände aufeinander. Durch Glasprismen an den Decken wird der Eindruck unmöglicher Winkel noch verstärkt, fast so als befände man sich im Innern eines Kaleidoskops. Weiß und Orange bestimmen als Farben das gesamte Interieur.
Buntes Nutzungskonzept
Besucher betreten das Gebäude über einen offenen und transparenten Raum im Erdgeschoss. Rechter Hand befindet sich eine Caféteria, links das Foyer mit anschließendem Servicebereich samt einem Schalter für Selbstverbucher. Im Zentrum des Raumes, direkt unter dem Lichtauge, präsentiert der Marktplatz Neuerscheinungen, Jahreszeitliche Publikationen und Ausstellungen. Die Kinderbücherei schießt sich direkt an, samt Rutsche, Lesewerkstatt und Spieletisch, WC und Wickelraum. Weiters findet sich hier die Zeitungsecke mit Zugang zum Literaturcafé. Über eine Glasschiebetüre gelangen Besucher in den Veranstaltungssaal, der sich mit eigener Garderobe und Toiletten komplett vom Bibliotheksbereich abtrennen lässt.
Im ersten Obergeschoss schließlich befindet sich die Erwachsenenbibliothek, darüber die Jugend- und Musikabteilung. Das dritte und oberste Geschoss dient als Ruhezone und Rückzugsort. Hier können Bücherfans gemütlich durch die neuesten Wälzer blättern oder auf Liegestühlen eine kurze Pause einlegen.
Zentral, offen und hochfunktionell
Für die Planer standen drei Hauptaspekte im Vordergrund. Zunächst einmal die zentrale Innenstadtlage, dank der die Stadtbücherei für alle Bürger im Stadtgebiet gleichermaßen erreichbar ist. Besucher erreichen das Gebäude sowohl mit den öffentlichen Verkehrsmittel als auch mit dem Auto oder mit dem Fahrrad. Der vorgelagerte Platz wie auch die Zugänge können barrierefrei passiert werden. Entsprechend dem offenen Nutzungskonzept wurde außerdem auf eine großräumige und funktionelle Architektur reflektiert.
Gemeinsam mit dem ambitionierten Energiekonzept mit einem maximalen Primärenergieverbrauch von 126 kWh/ m²a waren die Anforderungen an Ingenieure und Architekten hoch. Das Ergebnis ist dann auch ein hochmodernes Bibliotheksgebäude, das Besucher mit Behaglichkeit und Aufenthaltsqualität empfängt. Die Welt der Bücher spannt sich um ein zentrales Lichtauge auf. Durch drei große, in der Decke eingelassene Lichttrompeten, fällt Tageslicht nach innen, das durch mehr als 400 Spiegeldreiecke pro Trompete und Prismenkörper verstärkt wird. Die Prismen zerlegen das Licht in seine Spektralfarben, die nahtlos in das Farbkonzept übergehen: leuchtende Töne und silberne Lichtreflexionen erhellen den Bibliotheksbau bis in den letzten Winkel. Hell, offen, bunt und lebendig lädt die Stadtbücherei zum Verweilen und Schmökern ein. Doch nicht nur Bücher sind im Haus untergebracht. Auch verschiedene soziale Einrichtungen dienen als Schnittstellen und Kooperationspartner. Büros, Bücherregale und offene Arbeitsplätze wechseln sich ab. Und so trifft es auch der Slogan, der das neue Logo der Stadtbücherei ziert: „Offen für Alle“.
Hightech-Gebäude für Bücherfreunde
Doch nicht nur das Nutzungskonzept sollte höchsten modernen Ansprüchen genügen. Auch Haustechnik und Energiekonzept stellten die Planer vor Herausforderungen. Alle Beteiligten waren sich einig, dass ein innovatives Energiekonzept gewünscht wird, mit einem maximalen Primärenergieverbrauch von 126 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Sowohl die verglasten, teilweise zweischaligen Fenster mit Lichtlenkung als auch die Lichtaugen, Kühl- und Akkustikdecken und eine Fußbodenheizung sind Teil des hochkomplexen Systems. Entstanden ist ein Hightech-Gebäude, in dem sensorgesteuerte Rollos den Lichteinfall sowie den Einsatz von Kunstlicht regulieren. Motorgetriebene Klapp- und Drehflügelfenster wiederum sorgen automatisch für Frischluft. Nicht nur die Ingenieure, auch die Hausverwaltung sowie Betreiber und Mitarbeiter mussten dazu oft guten Willen beweisen. Denn für die komplexe Gebäudeleittechnik braucht es laut Bibliotheksleiter Manfred Lutzenberger schon mehr als einen „ausgeschlafenen Hausmeister“. Bis die Technik bei allen Beteiligten in Fleisch und Blut übergegangen war, musste einiges an Geduld aufgewendet werden, nicht zuletzt aufgrund eines zu frühen Einzuges und diverser Baumängel. Doch bereits ein Jahr nach der feierlichen Eröffnung zieht Lutzenberger eine positive Bilanz: 940.000 Entleihungen, 420.000 Besucher und 12.300 Neuanmeldungen zeigen, dass die neue Stadtbücherei den Nerv der Zeit getroffen hat und hält was sie verspricht: „Lesen, Lernen, Leben“ für alle.