Der Kirchenbau zählt sicherlich zu außergewöhnlichsten Schauplätzen des Baugewerbes. In Poing trifft das gleich in mehrfacher Hinsicht zu. Die neue Kirche ist nicht nur optisch ein Unikat. Schon während der Bauzeit rückte sie die Menschen näher zusammen.
Am 3. November 2015 wurde der Grundstein für die neue Pfarrkirche in Poing gelegt. Im Juni 2018 sind die Arbeiten abgeschlossen. Rund 350 Menschen finden im neuen Pfarrzentrum Platz für die ökumenische Begegnung. Doch nicht nur kirchlich, auch städtebaulich ist der Sakralbau ein Ort der Annäherung. Die beiden durch die S-Bahn-Linie getrennten Poinger Ortsteile, seit jeher ein großes Thema in der Kommunalpolitik, sollten mit dem Bauwerk endlich ein Bindeglied erhalten. Und so lautet auch das Motto der örtlichen Pfarrgemeinde, unter dem die Weihe stattgefunden hat: „Menschen verbinden“.
Tatsächlich rückten bereits während der Bauphase die Menschen nahe zusammen, denn der Bau entstand sozusagen in konfessionsübergreifender Zusammenarbeit. Nach den Entwürfen des Münchner Architekturbüros Meck, die sich im Wettbewerb gegen 35 weitere Teilnehmer durchgesetzt hatten, errichteten Handwerker aus aller Herren Länder und verschiedenster Konfessionen gemeinsam das strahlende Gotteshaus. Auch wenn sich die Fertigstellung wegen Insolvenz des Fassadenbauers verzögerte, so darf sich Kirchengemeinde von Poing bereits jetzt über ein neues Schmuckstück freuen.
Fassade der besonderen Art
Auch wenn der Neubau äußerlich dem typischen Kirchenbild komplett widerspricht, so lässt sich ihm eine geradezu göttliche Erhabenheit nicht absprechen. Auf einer Grundfläche von 30 mal 30 Metern sowie weiteren 30 Metern in der Höhe präsentiert sich die Kirche geradezu wie ein Fels, auch wenn sie nicht dem heiligen Petrus, sondern dem Patrozinium Seliger Pater Rupert Mayer geweiht ist. Die Fassade wird aus 15.000 weißen, dreidimensionalen Kacheln gebildet.
Der Dachaufbau entsteht durch unterschiedliche, gegeneinander gestellte Flächen. Abhängig vom Einfall des Sonnenlichts lumineszieren die Keramikziegel in unterschiedlichen Farben und machen die Kirche zur „weithin sichtbaren Stadtkrone“, wie es Architekt Professor Andreas Meck ausdrückte. Glockenträger sowie Pfarrheim spielen gegenüber dem Solitär eine untergeordnete Rolle. Das Glockenspiel ist nicht wie üblich am Kirchturm angebracht, den es in der klassischen Form nicht gibt, sondern neben dem Hauptbau. Optisch ergänzt wird die leuchtend weiße Fassade durch Nagelfluh, einen typischen Konglomeratstein der bayerischen Schotterebene. Dieser wurde für den Platzbelag, sowie auch für Pfarrheim und Glockenturm verwendet. Die Basis des Kirchengebäudes führt den Stein weiter, jedoch mit einer feiner bearbeiteten Oberfläche.
Begegnung und Rückzug
Wie schon die äußere Erscheinung, so ist auch der Innenraum in verschiedene Zonen ausdifferenziert. Kubistisch inspirierte Strukturen schaffen so verschiedene Aufenthaltsstationen, die unterschiedlichen Zahlen von Besuchern intime Rückzugsorte aber auch die Möglichkeit zur Begegnung bieten. Abgesetzt von der völlig in weiß gehaltenen Raumkrone wurden Boden und Wandsockel in Stein ausgeführt. So spiegelt sich nicht nur die äußere Gliederung von Platz und Gebäude wider sondern auch die Idee von Himmel und Erde.
Das Taufbecken blickt direkt auf den vorgelagerten kleinen See und ist von der rückwärtigen Gebäudeseite aus einsehbar. In 15 künstlerischen Ausführungen wird der Kreuzweg in der Betonbänderung der Wand dargestellt, wobei das Tabernakel die letzte Station bildet. Die erste Station soll ein Foto der erkennungsdienstlichen Erfassung des Pater Rupert Mayer einnehmen, dessen Patrozinium auf diese Weise direkt mit dem Sakrament verbunden wird.
Es werde Licht
Symbol und zentrales Gestaltungselement ist das Licht, das den gesamten Kirchenraum ausfüllt. Drei große Lichtöffnungen sorgen nicht nur dafür, dass Kirche und Besucher in Helligkeit getaucht werden. Sie unterstreichen gleichzeitig die liturgischen Orte und Handlungen in Analogie zur Dreifaltigkeit. Im höchsten Punkt der Kirche, unter dem sich der Altar mit Tabernakel befindet, ist eine vertikale Zenitöffnung eingelassen, durch die Licht senkrecht nach unten einfällt.
Durch eine zweite Öffnung wird der Altar vom Morgenlicht erleuchtet. Der dritte Lichtquell wurde neben dem Taufbecken situiert und dient gleichzeitig als Öffnung in Richtung See. Pfarrzentrum und Bürger freuen sich gleichermaßen auf diesen ganz besonderen Begegnungsort, der Menschen zusammenführt und die Ökumene bereichert.